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In der Entwicklung moderner Fahrzeuge und Flugzeuge spielt der Aeroakustik Windkanal eine Schlüsselrolle. Denn Geschwindigkeit allein reicht heute nicht mehr – Geräuschentwicklung wird zunehmend zum kritischen Kriterium für Qualität, Komfort und Energieeffizienz. Ob beim Elektrofahrzeug, Hochgeschwindigkeitszug oder Passagierjet: Wer Lärm reduziert, erhöht nicht nur den Komfort, sondern erfüllt auch strengere gesetzliche Vorgaben und steigert die Marktfähigkeit. Der folgende Beitrag zeigt, wie Aeroakustik Windkanäle funktionieren, welche Technologien darin zum Einsatz kommen – und warum sie für die Fahrzeug- und Luftfahrttechnik unverzichtbar geworden sind.


Strömung trifft Schalldruck – was ein Aeroakustik Windkanal leisten muss

Ein Aeroakustik Windkanal ist keine gewöhnliche Testanlage. Während klassische Windkanäle vor allem aerodynamische Daten erfassen, liegt hier der Fokus auf der akustischen Dimension des Luftstroms. Ziel ist es, Geräuschquellen im Luftstrom sichtbar und messbar zu machen – oft im Bereich von wenigen Dezibel.

Solche Anlagen benötigen eine extrem ruhige, laminare Strömung, um präzise akustische Messungen zu ermöglichen. Hochsensible Mikrofone, Lasersensoren und optische Erfassungssysteme zeichnen das Schallprofil an definierten Punkten auf. Selbst minimale Änderungen in der Geometrie eines Bauteils – etwa am Rückspiegel eines Fahrzeugs – können so auf ihre akustische Wirkung überprüft werden.

Einsatzgebiete in der Fahrzeugtechnik

In der Automobilentwicklung werden Aeroakustik-Windkanäle genutzt, um Windgeräusche an Karosserien, Spiegeln, Türen, Scheiben und Unterböden zu analysieren. Diese Geräusche können ab einer bestimmten Geschwindigkeit störend wirken – besonders in modernen E-Fahrzeugen, bei denen keine Motorengeräusche mehr überdecken.

Darüber hinaus werden auch Klimaanlagen, Belüftungseinlässe oder Scheibenwischer getestet. Ziel ist es, Komfort zu maximieren und gleichzeitig Energieverluste durch ungewollte Strömungseffekte zu minimieren.

Team analysiert digitales Fahrzeugmodell zur Optimierung der Aeroakustik im Entwicklungsprozess

Anwendungsfelder in der Luftfahrttechnik

In der Luftfahrt steht nicht nur der Passagierkomfort im Vordergrund, sondern auch die Einhaltung internationaler Lärmschutzrichtlinien. Aeroakustik-Windkanäle helfen dabei, Turbulenzen an Triebwerken, Fahrwerksklappen oder Ruderflächen zu identifizieren und durch Designoptimierungen zu reduzieren.

Gerade bei der Entwicklung moderner, leiserer Triebwerke und leichten Flugzeugstrukturen liefern aeroakustische Tests wertvolle Daten. Auch für unbemannte Luftfahrtsysteme (Drohnen) wird das Thema relevant – besonders beim urbanen Einsatz in sensiblen Zonen.

Aufbau und Technik eines modernen Aeroakustik-Windkanals

Betonwand mit gleichmaessigen Oeffnungen – Symbolbild fuer schallisolierten Aufbau in akustischer Testumgebung

Die Technik hinter einem Aeroakustik-Windkanal ist hochkomplex. Besonders wichtig ist ein niedriger Hintergrundgeräuschpegel, der durch Schalldämmung, vibrationsarme Konstruktion und schalldämpfende Materialien erreicht wird. Viele dieser Anlagen nutzen:

  • Schallarme Ventilatoren zur Luftstromerzeugung

  • Akustisch optimierte Messstrecken mit reflexionsarmen Wänden

  • Mikrofonarrays zur Lokalisierung von Geräuschquellen

  • Kamera- und Lasersysteme zur Visualisierung von Turbulenzen

Zusätzlich kommen häufig rechnergestützte Simulationen (CFD) zum Einsatz, um Messergebnisse zu validieren oder zu ergänzen.

Vorteile für Forschung, Entwicklung und Marktfreigabe

Der Einsatz eines Aeroakustik Windkanals bringt Herstellern messbare Vorteile:

✅ Nutzen Beschreibung
Geräuschoptimierung Minimierung störender Strömungsgeräusche bei Fahrzeugen und Flugzeugen
Gesetzeskonformität Erfüllung internationaler Lärmschutzrichtlinien
Verbesserter Komfort Höhere Innenraumqualität durch leisere Umströmung
Schnellere Markteinführung Optimierte Prototypen beschleunigen Zulassungsprozesse
Geringere Entwicklungskosten Frühzeitige Fehlererkennung verhindert kostspielige Umbauten
Wettbewerbsvorteil Bessere Bewertung durch Kunden und Prüforganisationen

Experteninterview: „Aeroakustik ist kein Luxus, sondern Pflichtprogramm“

Interviewpartner: Dipl.-Ing. Jonas Maier, Leiter Strömungsakustik bei einem internationalen Engineering-Dienstleister im Bereich Fahrzeug- und Luftfahrttechnik.

Herr Maier, was genau unterscheidet einen Aeroakustik-Windkanal von einem klassischen Windkanal?
Maier: Der Unterschied liegt in der Zielsetzung. Ein Standard-Windkanal misst primär aerodynamische Kräfte – also Luftwiderstand, Auftrieb, Strömungsabrisse. In einem Aeroakustik-Windkanal geht es dagegen um die Geräuschentwicklung. Dafür muss der gesamte Versuchsaufbau deutlich geräuschärmer, vibrationsfreier und akustisch optimiert sein. Wir sprechen hier von einer Umgebung, in der selbst kleinste Strömungsgeräusche im Dezibelbereich präzise detektiert werden.

Welche Fahrzeuge oder Flugzeugkomponenten werden dort typischerweise getestet?
Maier: In der Fahrzeugtechnik testen wir Bauteile wie Außenspiegel, Scheibenwischer, Türdichtungen oder Unterbodenverkleidungen. Besonders in der Elektromobilität spielt das eine große Rolle – der fehlende Motorlärm macht Windgeräusche plötzlich hörbar. In der Luftfahrt liegt der Fokus auf Triebwerksverkleidungen, Fahrwerksschächten und Klappenmechanismen. Auch Rotorgeräusche bei Drohnen sind ein wachsender Bereich.

Wie verändert sich durch Aeroakustik-Optimierung das Produkt?
Maier: Oft sind es kleine geometrische Änderungen mit großer Wirkung – ein leicht abgerundeter Spiegelträger kann mehrere Dezibel bringen. Das reduziert nicht nur den Lärmpegel, sondern verbessert auch die wahrgenommene Qualität und Markenwirkung. In der Luftfahrt können solche Maßnahmen dazu beitragen, internationale Lärmschutzvorgaben zu erfüllen – etwa die ICAO-Normen oder Flughafenbeschränkungen.

Können Simulationen den physischen Test ersetzen?
Maier: Noch nicht vollständig. CFD-Simulationen liefern gute erste Einschätzungen und helfen bei der Geometrieoptimierung. Aber die feinfühlige akustische Rückmeldung eines echten Windkanaltests ist nach wie vor unersetzlich. In der Praxis ergänzen sich beide Methoden. Unser Ziel ist ein hybrides Entwicklungsmodell, das Rechenzeit spart und präzisere Ergebnisse liefert.

Wie hoch ist der Aufwand hinter so einem Test?
Maier: Der Aufbau dauert oft mehrere Stunden. Die Mikrofone müssen exakt kalibriert und positioniert werden, die Umgebungsakustik überprüft, die Testobjekte exakt montiert sein. Dazu kommen oft mehrere Durchläufe mit leichten Modifikationen. Aber der Aufwand lohnt sich – eine gute Akustik zahlt sich aus, gerade im Premiumsegment.

Wie sieht die Zukunft der Aeroakustik aus?
Maier: Ich sehe drei Trends: Erstens wird Urban Air Mobility neue Anforderungen bringen – Drohnen und Lufttaxis müssen leise sein, um akzeptiert zu werden. Zweitens wird sich die Simulation weiter verbessern, aber die Windkanäle bleiben essenziell. Und drittens gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung: Aeroakustik hilft, Emissionen zu senken – nicht nur in Form von Lärm, sondern auch durch geringeren Luftwiderstand und Energieverbrauch.

Ein Satz zum Schluss – warum braucht die Technik Aeroakustik?
Maier: Weil leise Produkte heute nicht nur angenehm, sondern notwendig für Markt, Regulierung und Markenimage sind. Aeroakustik ist kein Luxus – sie ist Pflichtprogramm.


Zukunftsgerichtete Akustiklösungen

Die Geräuschentwicklung durch Luftströmung ist kein Nebenthema mehr – sie ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal. Aeroakustik-Windkanäle liefern dafür präzise, verlässliche Daten. Ihre Bedeutung wird mit wachsendem Umweltbewusstsein, neuen Antriebstechnologien und strengeren Vorschriften weiter steigen. Unternehmen, die auf diese Prüfmethoden setzen, schaffen die Grundlage für leisere, effizientere und zukunftsfähige Mobilitätslösungen.

Bildnachweis: InfiniteFlow, ktsdesign / Adobe Stock